Das CarSharing ist kein Nischenprodukt mehr. Durch die neuen FreeFloater, die es seit zwei Jahren auch in Köln gibt, ist das Autoteilen fast schon ein Massenphänomen geworden. Aus diesem Anlaß führte Rheinschiene Interviews mit den Pressesprechern der drei Anbieter: Tanya Bullmann von cambio, Andreas Leo von Car2Go und Michael Fischer von DriveNow.
Klassisches CarSharing gibt es in Köln seit über 20 Jahren. Cambio Carsharing, die früher „Stattauto“ hießen, in den Anfangsjahren sehr eng mit dem VCD verbunden waren und das auch heute noch sind, bieten an Dutzenden Stationen im kompletten Stadtgebiet stationsgebundenes Carsharing an. Das neue CarSharing wird in Köln vor allem durch Car2Go und DriveNow symbolisiert. Die kleinen weiß-blauen Smarts von Car2Go und die Minis sowie gelegentlich einen BMW von DriveNow sieht man immer häufiger durch Köln fahren. Sie unterscheiden sich von cambio dadurch, daß sie nach Benutzung nicht mehr an eine Station zurückgebracht werden müssen, sondern innerhalb der Stadt an einer beliebigen Stelle abgestellt werden können. Sie haben einen weit höheren Zeitpreis, aber meist keinen zusätzlichen km-Preis, sind für kurze Einwegfahrten dem klassischen CarSharing daher preislich ebenbürtig oder sogar billiger.
CarSharing ist „in“. Auf der CeBIT 2013 stieg sogar die Bundeskanzlerin testweise in ein CarSharing-Auto, auch wenn sie einräumte, das im Alltag nicht zu nutzen – warum eigentlich nicht? Das Motto war damals die „Shareconomy“, also die Wirtschaft, in der man alles teilt. Das Auto, den Bollerwagen, die Bohrmaschine, und mehr?
Es wurde in den Gesprächen, die der Autor dieser Zeilen mit den drei Vertretern führte, überdeutlich, daß die technische Entwicklung eine treibende Kraft dieses neuen Phänomens ist. Ohne Smartphones sind Car2Go und DriveNow kaum denkbar. Aber auch cambio profitiert davon, indem Bordcomputer immer häufiger die klassischen Tresore ersetzen und es damit rentabel wird, auch an Standorten mit nur wenigen Autos eine neue Station zu eröffnen.
Der Mensch ist bequem. Das gilt auch für Köln. Wenn das nächste Teilauto weiter als 500m entfernt steht, wird er es nicht nutzen. Deshalb baut cambio immer mehr kleinere Stationen, die näher an den Nutzern sind, und deshalb sind Car2Go und DriveNow so erfolgreich: wenn man ein Auto vor der Nase hat, steigt man eher ein und kurbelt damit den Umsatz an, als wenn man weit bis zur nächsten Station gehen oder radeln muß.
Die KVB hat eine Kooperation mit allen drei Anbietern – und zusätzlich auch mit Flinkster, der CarSharing-Tochter der Deutschen Bahn. Doch wieso macht die KVB das? Sind Kunden, die mit dem Teilauto fahren, nicht eine Konkurrenz zum ÖPNV? Nehmen sie der KVB nicht eher Kunden weg?
Nein, sagt Herr Leo von Car2Go. Die meisten CarSharing-Kunden haben sowieso ein Monatsabo der KVB, daher verlieren die kommunalen Nahverkehrsbetriebe durch die CarSharer keine Einnahmen. Im Gegenteil: wer sein eigenes Auto abschafft, weil es CarSharing gibt, fährt vielleicht sogar häufiger mit dem ÖPNV, so das Kalkül. Vor allem aber, so Andreas Leo: Car Sharing macht die Mobilität flexibler im Kopf. Man steigt nicht mehr „einfach ins Auto, weil es eh vor der Tür steht“. Man überlegt sich jede Fahrt ganz bewußt, und ist damit ansprechbarer für eine ökologischere Wahl der Verkehrsmittel.
Verliert das Taxigewerbe an Kundschaft durch die CarSharer? Oberflächlich könnte man das meinen: wer am Hauptbahnhof ankommt, nimmt heute vielleicht eher ein FreeFloating CarSharing-Auto als ein Taxi, wenn es zu einer Zeit ist, zu der die KVB gerade nicht fährt. Das ist preiswerter und auch ökologischer, weil die Rückfahrt ja entfällt. Andererseits gewinnt das Taxigewerbe auch an Kundschaft: wenn man mit dem CarSharing-Auto zur abendlichen Party fahren kann, fährt man dann alkoholisiert mit dem Taxi zurück. Gäbe es kein Car2Go und kein DriveNow, wäre man vielleicht beide Wege mit dem eigenen Auto gefahren und hätte auf Alkohol verzichten müssen.
Keiner der drei Anbieter sieht eine Konkurrenz durch Uber auf sich zukommen, sollte dieser neue Dienst in Deutschland doch legalisiert werden. Das erscheint mir jedoch wie Augenwischerei. Natürlich ist Uber derzeit noch illegal. Aber wenn sich das ändert, wird sich der Mobilitätsmarkt in großen Städten, also auch in Köln, radikal ändern. Darauf sind die alteingesessenen Anbieter in keinster Weise vorbereitet.
Der soziale Hintergrund von cambio einerseits und Car2Go und DriveNow andererseits ist ein völlig unterschiedlicher. Während cambio der Umweltbewegung entstammt und stolz darauf ist, daß ein Teilauto bis zu 11 Privat-Pkw ersetzt, sind die beiden FreeFloater in Köln vielleicht sogar eine „Einstiegsdroge“ für junge Erwachsene, die sich noch kein eigenes Auto leisten können, aber über CarSharing jetzt doch in den „Genuß“ des MIV kommen. So würde kein Student mit dem Taxi zur Uni fahren, weil er dann als Snob erscheint. Eine Fahrt mit dem Free-Floater-CarSharing Auto zur nächsten Vorlesung gilt derzeit jedoch unter Kommilitonen als „cool“, obwohl es kaum preiswerter als das Taxi ist. Die Nutzer von cambio sind daher im Schnitt auch über 10 Jahre älter als diejenigen der beiden Neulinge.
Entsprechend sind die Nutzerzahlen. DriveNow hat knapp 400.000 Kunden in Deutschland, fast identisch mit Car2Go. Etwa 70% dieser Kunden sind aktive Nutzer, die anderen sind Karteileichen. Da es beim FreeFloating Carsharing, im Unterschied zu cambio, keine monatliche Grundgebühr gibt, wächst die Nutzerzahl naturgemäß viel schneller, ja, sie explodiert geradezu. Andererseits steigt dadurch die Wahrnehmung von CarSharing im öffentlichen Raum, wovon indirekt auch cambio wieder profitiert.
Sowohl Car2Go (Start mit einem Pilotprojekt vor 7 Jahren in Ulm) als auch DriveNow (Start 2011 in München) liegen mit ihren Nutzerzahlen weit über Plan. Beide sind derzeit auch fast schon im Bereich der Gewinnschwelle, d.h. die Phase der Anfangsverluste ist überwunden. Die Strategie der beiden FreeFloater unterscheidet sich jedoch. Während DriveNow nur auf absolute Großstädte fokussiert ist, und Düsseldorf nur wegen der Nähe zu Köln und dem Test „städteübergreifendes CarSharing“ im Programm ist, experimentiert Car2Go auch mit kleineren Städten wie Stuttgart und Frankfurt, ja sogar mit Bonn und Leverkusen, sowie verstärkt mit Städten im Ausland (Rom, Mailand, Wien, Kopenhagen etc).
Eine starke Beschränkung ist für cambio die Tatsache, daß nur 10% aller Fahrzeuge im öffentlichen Raum, also auf oberirdischen Parkplätzen, die nicht in Privatbesitz sind, stehen dürfen. Da Car2Go und DriveNow entsprechende Vereinbarungen mit den Städten geschlossen haben, die ein freies Parken auf öffentlichen Parkplätzen erlauben, unterliegen sie diesen Beschränkungen nicht. Sie zahlen dafür aber auch mehr Geld in die klammen kommunalen Kassen.
Fazit: Es ist zu begrüßen, daß durch die neue Konkurrenz Bewegung in den CarSharing Markt kommt, der in Köln von Stattauto vor vielen Jahren begründet wurde. Dadurch steigt das Bewußtsein der Menschen dafür, daß es eine Alternative zum eigenen Auto gibt. Wenn das in die richtigen Bahnen gelenkt wird, kann der Umweltverbund in Köln und Umgebung dadurch gestärkt werden.
zuerst veröffentlicht in RheinSchiene 54, Winter 2014/15, Seite 38/39